Begabter als Bruder Felix, doch kaum bekannt:
Das Vokalensemble stimmte den "Lobgesang" von Fanny Hensel-Mendelssohn an.
Morgen spielt das Gewandhausorchester Leipzig am Lucerne Festival den "Lobgesang", die Sinfonie Nr. 2 von Felix Mendelssohn. Am Samstag war in der Jesuitenkirche ein anderer "Lobgesang" der gleichen Familie zu hören, jener von Fanny Hensel-Mendelssohn. Auch das Vokalensemble Luzern, das Orchester Camerata Luzern und der Leiter Hansjakob Egli betraten damit "Neuland". Denn die ältere Schwester von Felix Mendelssohn ist als Komponistin weit gehend unbekannt. Obwohl zunächst begabter als Felix eingeschätzt, stand Fanny in seinem Schatten und hatte wenig Chancen. Nur wenige ihrer rund 400 Kompositionen wurden gedruckt, einige der jetzt ausgewählten Kompositionen wurden erst kürzlich ediert und uraufgeführt. Mit den Phrasen atmend setzte sich das Vokalensemble in den drei A-cappella-Liedern in Szene und wurde dem romantischen Stimmungsgehalt vollauf gerecht. Bei den vom Orchester Camerata Luzern begleiteten Chorwerken machte sich der lange Nachhall dadurch bemerkbar, dass die Vorträge fast immer mit Pedal erklangen. Das beeinträchtigte nicht nur die Textverständlichkeit, sondern führte auch zu einem aufgeblähten, pauschalen Klangbild.
"Tausend Zungen"
Davon weniger betroffen als der stark in der Bach-Tradition verankerte "Lobgesang" waren die Kantaten "Hiob" und "Zum Fest der heiligen Cäcilia", in welcher der Solosopran dem Solobass (markant: John in Eichen) antwortet. Andererseits kam gerade im "Lobgesang" die Handschrift der Komponistin eindringlich zum Ausdruck und hatte das teils rezitativisch, teils arios behandelte Sopransolo (kostbar timbriert: Madeleine Wibom) besonders starkes Gewicht. Ihm fiel das eigentliche Credo des Werks zu: "O dass ich tausend Zungen hätte, mit allen Wesen um die Wette lobte ich dann Gott".
Fritz Schaub, Neue Luzerner Zeitung