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Johannes-Passion als grosses Drama

Das Vokalensemble Luzern hat sich mit Bachs Johannes-Passion viel vorgenommen.
Und zeigte sich der Herausforderung völlig gewachsen.

Kann man sich die Wochen vor Ostern ohne Bach-Passion vorstellen? Kaum, denn diese Musik gehört untrennbar zur Fastenzeit wie das Amen an den Schluss der Predigt. Zwar ist die Leidensmystik in den Passionen nicht mehr unsere Sache, aber eingekleidet in Bachs Musik wird sie erträglich. Und es ist für jeden Chor eine dankbare Aufgabe, eine der Passionen aufzuführen.
Das von Hansjakob Egli geleitete Vokalensemble Luzern bot am Samstag im KKL auf hohem technischem und gestalterischem Niveau eine überaus stimmige Interpretation von Bachs Johannes-Passion. Der Chor, einer der Hauptakteure des Passionsdramas, trat als ausgezeichnet disponiertes Ensemble in Erschienung: ausgeglichen in den Registern, plastisch deklamierend, Koloraturen und Fugen sicher meisternd, von erstaunlicher dynamischer und klanglicher Bandbreite. So gelangen die entfesselten Turbachöre, durchweg in schnellem Tempo genommen, und die meditativen Choralstrophen gleichermassen überzeugend.

Passionierter Erzähler

Wesentlich zum Gelingen der Aufführung trug der Tenor Gerd Türk als Evangelist bei. Er lotete das Potenzial seiner Rolle voll aus und führe mit überragenden stimmlichen Qualitäten als passionierter Erzähler durch die dramatische Handlung. Martin Hempels Bariton füllte wie von selbst den ganzen Raum, genau wie es sich für Pilatus als Vertreter einer Weltmacht gehört. Marc-Olivier Oetterli vermittelte den Eindruck eines abgeklärten Christus, der weiss, was ihm bevorsteht und sich nicht dagegen sträubt. Letizia Scherrer bestach durch ihre leichte, helle Sopranstimme, die jede Höhe ohne Anstren-gung meisterte, Marie-Claude Chappuis mit einer Altlage, die in ihrer ausdrucksstarken Klarheit nicht oft anzutreffen ist. Der Instrumentalpart war beim Barockorchester Capriccio Basel bestens aufgehoben.

Das die Aufführung so starken Eindruck hinterliess, lag nicht zuletzt daran, dass Egli auf lange Pausen verzichtet und im grossen Bogen die Dramatik der Passion überhaupt erst erfahrbar machte.

André Stocker, Neue Luzerner Zeitung